Ein Pfarrer startete mit viel Enthusiasmus und zwei Zivis

Die Geschichte der Fachstelle Eine Welt im Kirchenkreis beginnt im Jahr 1976 – damals noch unter dem Namen „Informationszentrum Dritte Welt“ – kurz IZ3W. Die Gründung der Institution und die Einrichtung einer Pfarrstelle „Ökumenische Diakonie“ hatte die Kreissynode unter Leitung von Superintendent Fritz Schwarz (1930-1985) beschlossen. So erhielt der Baukauer Pfarrer Harald Rohr, der sich schon in seiner Gemeinde für „Brot für die Welt“ engagierte und Kriegsdienstverweigerer auf ihre Verhandlung vorbereitete, die Möglichkeit, im Kirchenkreis Herne (und nicht woanders) die damals so genannte „Dritte-Welt-Arbeit“ aufzubauen, wobei er das eigentlich schon mit der Eröffnung des Dritte-Welt Ladens an der Von-der-Heydt-Straße getan hatte. Zusammen mit zwei Zivildienstleistenden startete Rohr mit dem Ziel, über die Situation in den Ländern des Südens zu informieren und zu zeigen, dass in der Einen Welt die Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung untrennbar zusammengehören.

Konkret hieß das, in Gemeinden, in Schulen oder auf der Straße gegen atomare Aufrüstung zu demonstrieren, zum Boykott von Produkten aus dem Apartheitsstaat Südafrika aufzurufen oder für den Kauf fair gehandelter Waren zu werben. Daneben wurden Kriegsdienstverweigerer auf ihren Prozess vorbereitet, Migrantinnen oder Flüchtlinge beraten. Für die Flüchtlingsberatung wurde im Zentrum 1985 eine Stelle für einen ehemaligen Zivildienstleistenden geschaffen, 1987 zusätzlich eine Beratungsstelle für ausländische Frauen.

In den Folgejahren wuchs das Infozentrum auf mehreren Ebenen: 1993 erhielt das Flüchtlingsreferat zwei weitere Vollzeitstellen über das Diakonische Werk und ein eigenes Flüchtlingsbüro in der Herner Innenstadt. 1994 wurden zwei vom Land NRW geförderte Stellen für die Beratung von Migrantinnen und weitere Stellen in der Flüchtlingsberatung eingerichtet. In den 1990er Jahren brachte die Fachstelle „Schule und Dritte Welt“ die Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung in die Schulen, der mittlerweile eingestellte Eine Welt Promoter vermittelte sie in die Kommunen des Ruhrgebiets, über die Erlassjahr-Kampagne engagierte sich das Zentrum für die Idee, den armen Ländern des Südens ihre Schulden zu erlassen, eine Umweltberatung informierte über nachhaltige Lebensformen und manche weitere Projekte stemmten die 15 bis 20 Mitarbeitenden zusammen mit den jeweiligen Zivildienstleistenden, die im IZ3W ihren Dienst taten. „Wir hatten gelernt, dass Dritte Welt, Ökologie, Frieden und Menschenrechte im Guten wie im Bösen zusammenhängen“, so Harald Rohr im Rückblick auf diese Zeit.

Neben der Bildungs- und Beratungsarbeit hat das IZ3W auch die Partnerschaft der Kirchenkreise Herne und Bukavu in der Demokratischen Republik Kongo mit Leben gefüllt. Als Pfarrer Harald Rohr im Jahr 2002 in den Ruhestand verabschiedet wurde, war das IZ3W eine weit über Herne hinaus bekannte Institution.

Nach dem Wechsel in der Geschäftsführung wurde die Partnerschaftsarbeit zu einem Schwerpunkt. Das lag nicht zuletzt daran, dass mit Pfarrer Martin Domke jemand die Geschäftsführung übernahm, der einige Jahre im Partnerkirchenkreis Bukavu gelebt und gearbeitet hatte. Seit 2006 – pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland – hieß die Einrichtung nicht mehr „Informationszentrum Dritte Welt“, sondern „Eine Welt Zentrum“. Die WM war ein willkommener Anlass, sich unter dem Titel „fair play : fair life“ für gerechten Handel in der Sportartikelindustrie einzusetzen. Auch der Dritte-Welt-Laden, den Harald Rohr schon 1974 gegründet hatte – mittlerweile unter dem Namen „Weltladen Esperanza“ firmierend – gehört nach wie vor zum Profil der Eine-Welt-Arbeit der Fachstelle. Er hat seinen Standort mittlerweile Freiligrathstraße 19 in Herne-Mitte.

Weniger sichtbare Veränderungen gab es auch: Der Leiter des Eine Welt Zentrums wurde 2005 mit der Hälfte seines Dienstes mit Aufgaben des landeskirchlichen Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung für den Gestaltungsraum Bochum – Gelsenkirchen und Wattenscheid – Herne betraut, womit die Einrichtung fürderhin von der Landeskirche finanziell unterstützt wurde. Neben der Partnerschaftsarbeit etablierten sich Flüchtlingsberatung, Beratung von Betroffenen von Menschenhandel, pädagogische Arbeit mit Schülerinnen und Schüler, Konfis und Erwachsenen in diversen Gemeindegruppen – über die Regionalstelle entwicklungspolitische Bildungsarbeit im mittleren Ruhrgebiet. Seit der Pensionierung von Pfarrer Domke im Jahr 2022 besteht die Partnerschaft zwischen den Kirchenkreisen Herne und Bukavu weiter, kann aber nicht mehr von der Fachstelle getragen werden. Schwerpunkte sind nun die Beratungs- und Bildungsarbeit, auch wenn diese Bereiche in ihrem Umfang zurückgegangen sind. Die Fokussierung, die mit der Übernahme der Geschäftsführung im Jahr 2024 durch Steffen Wilmink neu strukturiert wird, hat auch zu einer Umbenennung geführt: Die traditionsreiche Institution firmiert nun unter dem Namen „Fachstelle Eine Welt des Evangelischen Kirchenkreises Herne“.