Zufall oder gewollt? Ein Schelm, der Böses dabei denkt: Genau am Weltflüchtlingstag treffen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder, um den Sachstandsbericht des Bundesinnenministeriums zum Prüfauftrag, Asylverfahren zukünftig auszulagern, zur Kenntnis zu nehmen. Die Auslagerung der Asylverfahren in Länder außerhalb von Europa wird erneut hitzig diskutiert werden. Nur zu gerne würde man mit Blick auf die kommenden Wahlen den Menschen in Deutschland zeigen wollen, dass keine oder nur noch die wirklich „guten“ Flüchtlinge nach Deutschland kommen, die anerkannt sind und am besten sofort als Fachkräfte hier arbeiten können.
Die Pläne, Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, sind teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar. Den Ländern wie Marokko, Algerien, Tunesien oder Ruanda sind die Menschenrechte und deren Einhaltung gelinde gesagt völlig egal. Sie werden von Europa bezahlt, wollen an den Honigtopf und werden ganz sicher auf ihre Art dafür sorgen, dass die Menschen nicht nach Europa kommen. Aber wollen wir das wirklich? Wir leben im 21. Jahrhundert, fliegen zum Mond und wollen künstliche Intelligenz zunehmend mehr nutzen. Dabei ist unsere eigene Intelligenz scheinbar sehr begrenzt. (Das sollten wir bedenken, denn die künstliche lernt nur von uns.)
Die Auslagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb Europas würde absehbar zu schweren Menschenrechtsverletzungen führen. Pauschale Inhaftierungen oder Abschiebungen in Länder, in denen ihnen menschenunwürdige Behandlung oder Verfolgung drohen, wird es geben. Wir kennen Berichte von Menschenrechtsorganisationen über illegale Push-backs oder über Aussetzung der Menschen bei Nacht in der Wüste ohne Schuhe und Wasser.
Jetzt ist ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement unsererseits von Nöten, um das zu verhindern. Wir wollen weiterhin fliehenden Menschen in Deutschland Schutz und Beratung bieten. Bundesregierung und Landesregierungen müssen Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage erteilen. Bundesweit werden hoffentlich viele Organisationen, Verbände und Initiativen in der Flüchtlingsarbeit den Offenen Brief unter der Überschrift: „Menschen schützen statt Asylverfahren auslagern“ unterzeichnen.
Der Evangelische Kirchenkreis Herne macht seit Anbeginn vor mehr als 50 Jahren eine starke und gute Flüchtlingsarbeit, die über den Kirchenkreis hinaus bekannt ist. Daher wird die Fachstelle Eine Welt des Evangelischen Kirchenkreises Herne mit seiner Flüchtlingsberatung zu den Unterzeichnern des Offenen Briefes gehören.
Nicht Ausgrenzung und Abschottung, sondern wirkliche Integration, gesellschaftlicher Zusammenhalt und eine klare Absage an jegliche antirassistischen und rechtsextremen Bestrebungen sind Schlüssel für eine Lösung der Flüchtlingsfrage. Wir brauchen Offenheit, Toleranz und die konsequente Umsetzung der Menschenrechte! Als Christinnen und Christen sollten wir den 20. Juni auch dazu nutzen, auf Folgen und Gefahren der Auslagerung von Asylverfahren zu informieren und gleichzeitig für und mit den vielen Flüchtlingen dafür zu beten, dass die Menschenrechte die Oberhand behalten und sich Menschlichkeit als Grundlage des Zusammenlebens dauerhaft durchsetzt und der Artikel 1 aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.“ wirklich umgesetzt wird.